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Autorinnen: Jennifer Berlitz, Katharina Domke-Schmidt

Der deutsch-französische Austausch an der Daniel Theysohn IGS Waldfischbach-Burgalben

Im aktuellen Jahr 2021 – dem zweiten Pandemiejahr – blicken wir als Vertreterinnen der Französischfachschaft und Fürsprecherinnen des deutsch-französischen Austauschs neuen Herausforderungen entgegen bezüglich der Pflege der Partnerschaft zwischen der IGS Waldfischbach-Burgalben und dem Collège Gambetta in Carentan, aber auch ganz allgemein im Hinblick auf die Vermittlung der deutsch-französischen Geschichte. Gerade in Zeiten wie diesen, in denen die Grenze zwischen beiden Ländern wieder „spürbarer“ wird und die Idee eines eng zusammenarbeitenden und vereinten Europas durch politische Entwicklungen wie den Austritt Großbritanniens aus der EU nicht mehr so selbstverständlich und unangefochten scheint, sehen wir es als dringende Notwendigkeit an, den deutsch-französischen Austausch zu bewahren und zu pflegen, auch wenn dies unsererseits eine Neu- bzw. Umorientierung erfordert.

Im Rahmen der Ortspartnerschaft zwischen Carentan und Waldfischbach-Burgalben, welche seit 1966 besteht, fanden über die Jahre auch immer wieder Austauschbegegnungen auf Schulebene zwischen der Daniel Theysohn IGS und dem Collège Gambetta statt. So nahm als letztes eine siebenköpfige SchülerInnengruppe aus Waldfischbach-Burgalben vom 6. bis 12. Mai 2017 an einem Austausch mit der Partnerschule teil.

Die SchülerInnen der Klassen 8, 11 und 12 waren – wie bereits in den Jahren zuvor – bei Gastfamilien untergebracht. Die TeilnehmerInnen erwartete in Carentan ein abwechslungsreiches Programm. So besuchten die SchülerInnen mit ihren Gastfamilien den Landungsstrand Utah Beach und nahmen zum Teil an Festlichkeiten anlässlich des 8. Mai teil.

Des Weiteren wurde für die SchülerInnen eine kurzweilige Führung durch Carentan organisiert, im Rahmen derer sie fußläufig unter anderem den Hafen, die mittelalterlichen Arkaden sowie das im 18. Jahrhundert errichtete Waschhaus von Carentan-les-Marais besichtigten. Auch wurde die Schülergruppe aus Waldfischbach-Burgalben offiziell durch den Bürgermeister der Stadt, Jean-Pierre Lhonneur, im Rathaus empfangen.

Nicht weniger freundlich und für die SchülerInnen beeindruckend war der Empfang im Collège Gambetta. Der für einen Tag vorgesehene Schulbesuch mit Teilnahme der deutschen SchülerInnen am Unterricht war – so konnte man es den Schilderungen entnehmen – für die Jugendlichen besonders aufschlussreich und interessant, erlebten sie doch das französische Schulsystem, welches sie bis dato nur „aus der Theorie“ des Französischunterrichts kannten, nun vor Ort.

Weitere Programmpunkte waren der Besuch des Karamellmuseums Insigny mit anschließender Verköstigung sowie ein Tagesausflug nach Granville mit Besuch des Aquariums, einem Spaziergang entlang des Küstenstreifens inklusive Picknicks sowie einem Besuch der Dior-Gärten. Maßgeblich für den Erfolg des Austauschs war neben dem interessanten und die Jugendlichen ansprechenden Programm die freundliche Aufnahme durch die Gastfamilien.

Nicht nur die Möglichkeit, die sich den SchülerInnen bot, ihre Fremdsprachenkenntnisse nun endlich einmal in der Praxis anzuwenden, auch insbesondere die Einblicke in das Schul- und Alltagsleben waren es, welche in bleibender Erinnerung bleiben werden, zumal viele SchülerInnen zum ersten Mal Kontakt mit französischen Jugendlichen hatten. Einige Kontakte wurden auch nach dem Austausch aufrechterhalten, und so begleiteten insgesamt vier SchülerInnen aus Carentan-les-Marais bereits Ende August die am viertägigen Städteaustausch (vom Schüleraustausch unabhängige) teilnehmende Gruppe aus Carentan-les-Marais nach Waldfischbach-Burgalben.

Umso bedauerlicher ist es, dass ein für das Schuljahr 2019/2020 anvisierter Besuch einer SchülerInnengruppe aus Carentan nicht zustande kam. Letztlich scheiterte der Austausch daran, dass sich zu wenige Gastfamilien von Seiten der SchülerInnen der IGS finden ließen, die sich bereit erklärten, einen französischen Schüler bzw. eine französische Schülerin aufzunehmen. Die Mindestteilnehmerzahl von 25, die seitens der Schulen aus Carentan aus Finanzierungsgründen festgelegt wurde, konnte leider bei weitem nicht erreicht werden, und dies trotz zahlreicher Bemühungen, doch noch deutsche SchülerInnen für den Austausch zu gewinnen und trotz der Bereitschaft einzelner deutscher Familien, sogar zwei französische Jugendliche aufzunehmen. Die zu geringe Aufnahmekapazität seitens der IGS ist unter anderem durch die geringen Kursgrößen an der IGS zu erklären: So ist Französisch eines von vielen zu wählenden Wahlpflichtfächern ab Klassenstufe 6 und wird des Weiteren als neu einsetzende Fremdsprache in der Oberstufe angeboten, welche „in Konkurrenz“ zum Fach Latein gewählt werden kann und für diejenigen SchülerInnen wegfällt, die bereits in der Mittelstufe bis zur 10. Klasse eine zweite Fremdsprache als Wahlpflichtfach belegt haben.

Das Scheitern des Austauschs im Jahr 2019 aufgrund oben dargelegter Gründe und in den Jahren 2020 und 2021 aufgrund der Corona-Pandemie bedauern wir sehr. Um die lange bestehende Freundschaft zwischen den Schulen nicht versanden zu lassen, steht auf der Seite der IGS die Überlegung im Raum, dass bei zukünftigen Treffen zwischen den Schulen beider Orte eine Begegnung zwischen den beiden SchülerInnengruppen an einem Drittort mit Bezug zur deutsch-französischen Geschichte/ Beziehung organisiert werden könnte. Auf diese Weise wäre das zahlenmäßige Ungleichgewicht zwischen den beiden SchülerInnengruppen nicht mehr so relevant und es bestünde die Möglichkeit zur Beantragung von Fördergeldern.

Ein Beispiel für einen solchen Drittort könnte die Internationale Jugendbegegnungs- und Bildungsstätte Albert-Schweitzer an der Kriegsgräberstätte Niederbronn-les-Bains (Elsaß) sein. Dort werden unterschiedliche Projekte mit Bezug zum Lernort Kriegsgräberstätte angeboten, aber auch andere pädagogische Projekte und Aktivitäten, die die Begegnung und den Austausch der Jugendlichen beider Nationalitäten zum Ziel haben. Des Weiteren wäre man frei, von diesem Ort aus Tagesfahrten, Wanderungen oder ähnliches zu organisieren. Wir selbst sowie Gruppen von SchülerInnen der IGS, die bereits an einem halbtägigen Ausflug zu dieser Kriegsgräberstätte teilgenommen hatten, empfanden die dort angebotene Führung sowie einen Vortrag zu Schuld und Verantwortung als äußerst interessant, lehrreich und schülergerecht aufbereitet.

Ein anderer gelungener, wenn auch ernster Kontakt zu unserem Nachbarland besteht ebenfalls seit Jahren an der Daniel Theysohn IGS.

So besuchen alljährlich – außer in Pandemiezeiten – alle neunten Klassen das ehemalige Konzentrationslager Natzweiler-Struthof. Es ist das einzige Konzentrationslager auf heutigem französischen Boden und liegt im Elsass, etwa 60 Kilometer von Straßburg entfernt. So ist es also von unserer Schule aus in einer Tagesreise zu erreichen.

Zur Zeit des Dritten Reiches waren in Natzweiler-Struthof und den dazu gehörigen Nebenlagern fast 52.000 Deportierte aus dreißig verschiedenen Nationen gefangen. 22.000 dieser Menschen sind diesem oder den dazu gehörigen Nebenlagern zum Opfer gefallen.

Mehr als ein Jahr nach dem Besuch und in Vorbereitung auf diesen Beitrag berichtete die Französisch-Gruppe der mittlerweile zehnten Klasse über ihre Erfahrungen dort.

Für die SchülerInnen hatte am Tag vor dem Besuch statt normaler Unterricht ein Vorbereitungstag für die Exkursion stattgefunden. So hatten sie sich Fakten erarbeitet, die für die Einordnung des Besuchs wichtig waren. Trotz der in den Augen der SchülerInnen gelungenen Vorbereitung waren sich alle Mitglieder der Französisch-Gruppe einig darin, dass die Eindrücke in Struthof sie überwältigten. Noch viele Monate nach dem Besuch hatten die Jugendlichen das dringende Bedürfnis ihre einprägsamen Erlebnisse in Worte zu fassen.

Während des Berichts über den Besuch beeindruckte neben dem in dieser Heftigkeit unerwarteten Bedürfnis der SchülerInnen ihre verstörenden Eindrücke so lange Zeit nach dem Besuch zu schildern, besonders welche Schlüsse sie aus ihrer Exkursion gezogen hatten. Sie betonten mehrfach, dass sie alles noch bildlich genau vor Augen haben. Ein Schüler forderte, dass alle Menschen, die in unserer Zeit noch rassistische oder geschichtsrevisionistische Gedanken formulieren, sich besonders den Galgen im ehemaligen Konzentrationslager Natzweiler-Struthof genau anschauen sollten. Er war der Meinung, dass genau diese Menschen dann vielleicht begreifen würden, dass es solche unmenschlichen Gräueltaten wie zu den Zeiten der Nationalsozialisten nie wieder geben darf. Die Gruppe war sich sicher, dass niemand, der das Konzentrationslager einmal besichtigt hat, diesen Besuch je wieder vergessen wird.

Eine unbeschwertere Möglichkeit für die OberstufenschülerInnen der Daniel Theysohn IGS das Nachbarland live kennen zu lernen, war der Besuch der Franzsösisch-SchülerInnen aus den Klassen 12 und 13 in Paris am 30. Januar 2020. Gerade noch rechtzeitig vor Corona konnte die Reisegruppe aus knapp 20 SchülerInnen und 2 Lehrkräften die sehr angenehme Zugverbindung von Kaiserslautern nach Paris nutzen, um an einem einzigen Tag einige wichtige Stationen in der französischen Hauptstadt zu besichtigen.

Nach einem regnerischen Start an und in der Kathedrale Sacré-Cœur nahm die Gruppe an einer Seine-Schiffahrt teil. So konnten in kurzer Zeit weitere Sehenswürdigkeiten der Stadt, wie z.B. das Musée du Louvre oder dem Hôtel de ville zumindest von außen angeschaut werden.

Danach durften sich die SchülerInnen das von ihnen am meisten ersehnte Monument aus der Nähe betrachten: den Eiffelturm. In der Umgebung konnten sie auch endlich ihre bisher nur in der Schule gefragten Französisch-Kenntnisse anwenden, um sich Crêpes und ähnliche Köstlichkeiten zu kaufen.

Im Anschluss wartete leider der Zug nach Hause schon wieder auf die Gruppe. Jedoch waren sich SchülerInnen und Lehrkräfte einig, dass ein solcher Besuch auf jeden Fall noch einmal stattfinden muss.

Unter anderem aus diesem Grund sind wir an der Daniel Theysohn IGS zwar nicht zufrieden mit dem ausgesetzten Austausch mit unserer Partnerschule in Carentan. Wir sind uns jedoch dennoch sicher, dass wir durch unsere anderen Projekte die deutsch-französische Partnerschaft durchaus fruchtbar weiterleben lassen und zur Völkerverständigung beitragen, wenn auch vielleicht in veränderter Form.